Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Mitglieder der Rathausverwaltung und Gemeindewerke,
sehr geehrte Karlsfelder Bürgerinnen-und Bürger,
sehr geehrte Vertreter der Presse.

Bei der diesjährigen Haushaltsberatung unserer Fraktion am 1.März mit unserem Kämmerer, Herr Giesinger, wurde mir, nach eingehender Betrachtung der Entwicklung unserer Gemeindefinanzen in den letzten Jahren und Jahrzehnten deutlich: Wachstum einer Gemeinde ist keinesfalls gleichbedeutend mit Wachstum einer soliden Finanzgrundlage. Vielmehr bedeutet der Anstieg unserer Bevölkerung einen überproportionalen Anstieg unserer finanziellen Belastungen.

Der magische Satz, „mehr Wachstum“, der für die Mehrheit der Bürgerinnen-und Bürger gleichbedeutend ist mit Wohlstand, wachsendem Einkommen, sicheren Arbeitsplätzen, also einer gesicherter Existenz, verliert angesichts der nackten Zahlen seine Gültigkeit. Man muss sich die Frage gefallen lassen: Wem nützt das Wachstum einer Gemeinde am meisten, wer steht in der Reihe der Wertschöpfung an erster Stelle?

Wir haben in diesem Jahr die 20.000 Einwohnermarke überschritten und verabschieden heute einen Gesamt-Haushalt mit einem neuen Rekordvolumen von 65.035.389 € – allein der Haushaltsplan der Gemeinde ist von rund 39 Mio. in 2015 auf heuer 45,6 Mio. € angewachsen, zusätzlich dem Wirtschaftsplan der Gemeindewerke mit 19,1 Mio. € und dem Wirtschaftsplan der VHS mit 335.389,– € . Und wieder – ähnlich wie im vergangenen Haushaltsjahr – sind wir knapp an einer Neuverschuldung vorbeigeschrammt…….

Anfang dieses Jahres sahen die Zahlen eher düster aus: Durch die hohe Umlagekraft unserer Gemeinde haben wir trotz einer erneuten Absenkung des Kreisumlagehebesatzes auf 47,5 % mit ca. 10 Mio. die höchste Kreisumlage seit 2010 abzuführen, gleichzeitig sanken die Schlüsselzuweisungen auf 716.768,–€ im Vergleich zu 1,8 Mio. € im Vorjahr. Bedingt durch Mehreinnahmen im Bereich von Einkommens-, Gewerbe-, und Grunderwerbssteuer und Minderausgaben im Verwaltungshaushalt kann der Rat heute einen ausgeglichenen Haushalt verabschieden. Aber dafür ist nochmalig eine Rücklagenentnahme notwendig, die derzeit auf ca. 4,6 Mio.€ angesetzt ist – in 2017 können wir dagegen voraussichtlich keine so komfortable Entnahme mehr aus den Rücklagen tätigen. Und die Grenzen des Wachstums werden uns spätestens dann mit einer voraussichtlichen Neuverschuldung von über 11 Mio. € in den kommenden Jahren drastisch aufgezeigt.

Wer profitiert also vom Wachstum unserer Gemeinde?

Gewachsen sind wir durch die Ausweisung eines großen Wohn- und Gewerbegebietes im Bereich des sogenannten Prinzenparkgeländes. Gewachsen an vielen Neubürgern, die enorme Preise für Ihre Häuser und Wohnungen bezahlt haben. Leider nicht – oder noch nicht- sind wir gewachsen im Bereich der Gewerbesteuereinnahmen.

Gewachsen sind wir durch die Realisierung der sogenannten „Karlsfelder Meile“. Gewachsen ist dadurch die Verkehrsbelastung und auch die extreme Parkplatznot mit Auswirkungen bis hin zu unserem „alten“ Rathausplatz, wieder musste dort ein alteingesessener Mittelständler schließen. Sind dadurch auch die Gewerbesteuereinnahmen angewachsen?

Gewachsen sind wir auch durch den Bau der „Neuen Mitte Karlsfeld“, vor kurzem wurde Richtfest gefeiert. Versprochen wurde „günstiger, bezahlbarer Wohnraum“, die Realität bei einem m² Preis zwischen 3500 – 4500 € sieht anders aus. Wachsen werden auch hier die Verkehrsbelastung, Parkplatznot, Infrastrukturfolgekosten für die Gemeinde….Wachstum auch hier bei den Gewerbesteuereinnahmen?

Der Preis für unser Karlsfelder Wachstum ist hoch. Die größten Posten in unserem Haushalt sind denn auch den Pflichtausgaben von Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulwesen geschuldet, im wahrsten Sinne des Wortes. Eine Renovierung bzw. Neubau der beiden Schulen wäre ohnehin angestanden, aber in der jetzt geplanten Größe wäre es ohne Wachstum wohl nicht nötig gewesen. Für eine bessere Finanzausstattung der Kommunen, um die enormen Kosten für die große Aufgabe im Bereich Kinderbetreuung – einschließlich Unterhalt und Betrieb der Einrichtungen – besser schultern zu können, für eine bessere Finanzausstattung appellieren bis dato Vertreter des Städte-und Gemeindetags vergeblich beim Bund. Hier muss klar werden: für die Verbesserung unserer Finanzsituation müssen wir selbst sorgen. Wir müssen die Investoren und Grundstückseigentümer mehr in die Pflicht nehmen – Eigentum verpflichtet!

Nach diesem Grundsatz muss der soziale, gemeinwohlökonomische Gedanke bei allen Bauvorhaben umgesetzt werden. Bei der Haushaltssitzung vor mehr als einem Jahr habe ich die Einführung der sog. „Sozialen Bodenraumnutzung“ angemahnt, im Juli dann dazu den Antrag gestellt. Ich hoffe sehr, dass wir sie noch in diesem Jahr endlich auf den Weg bringen!

Denn der Preis für unser Wachstum ist hoch, meiner Meinung nach auch hinsichtlich des eher „weichen Standortfaktors“ Ortsbild: die neuen städtebaulichen Strukturen sind kein Imagegewinn für unsere Gemeinde – die großen, hohen und langen Gewerbeklötze und Wohnstangen vermitteln eher den Eindruck von Masse und gettohafter Anonymität, anstatt unserem Heimatort einen offenen, attraktiven und sympathischen, kleinstädtischen Charakter mit Charme zu verleihen.

Dies ist leider auch dem Umstand zuzuschreiben, dass wir nie vollumfänglich den aus der kommunalen Planungshoheit resultierenden Handlungsspielraum genutzt haben. Zu sehr haben wir uns den Vorstellungen und auch Vorgaben der Investoren gebeugt. Und zu wenig wurde gefragt: nützt das wirklich uns Karlsfeldern?? Immer aus der defensiven Haltung und Sorge heraus, keine finanzstarken Unternehmen halten zu können bzw. keine zu finden, die in unserer Gemeinde investieren wollen. Nach jahrelangem Appell unsererseits, sich doch auf städtebauliche Ziele zu verständigen – die dann auch 2008 bis 2010 festgeschrieben wurden- allein, selbstbewusst darauf besonnen und darauf beharrt haben wir bei der Verabschiedung von Bebauungsplänen nicht!

Als Ausgleich zum städtebaulichen Desaster, oder auf boarisch gsagt „Ortsbildverschandelung“ bleibt uns – ich sage es jedes Jahr aufs Neue – nur unser „grünes Kapital“! Die vielen Ausgleichsflächen, zäh errungen und erkämpft, verschönern nun als Biotope und grüne Naturerlebnisräume im Innenbereich unser Ortsbild – im Außenbereich stehe ich nach wie vor für den vollumfänglichen Erhalt des regionalen Grünzug. Wir müssen diese Ressource an wertvollem Grund und Boden für unsere Gesundheit schützen. Frischluft und Erholungsfunktion sind keine Faktoren, die wir irgendwann bei besserer Haushaltslage wieder erwerben können. Bei Bebauung sind Sie für alle Zeit unwiederbringlich verloren. Und auch hier wiederhole ich mich absichtlich: die vielen Neubürger, vornehmlich Familien mit Kindern im Prinzenparkgelände, sind gerade deshalb zu uns nach Karlsfeld gezogen, um hier noch ringsherum freie Grünflächen und Naherholung in der Natur zu erleben und bessere Luft als im städtischen Milieu atmen zu können. Durch diese Neubürger generieren wir als absolut verlässliche Einnahmequelle die Einkommenssteuerbeteiligung – im Interesse von uns allen, den Kindern dieser und der nächsten Generation steht deshalb der unabdingbare Schutz dieses Grünzuges.

Wir dürfen uns „sprichwörtlich“ unsere „grüne Lunge“ nicht verbauen. Deshalb ist aus meiner Sicht als Umweltreferentin die Ausweisung des Gewerbegebietes an der Schleißheimer Straße – auch aus unserer finanziellen Situation heraus – absolut nicht gerechtfertigt. Gewerbesteuereinnahmen sind keine verlässliche Größe, unterliegen stark konjunkturellen Schwankungen und werden erst mit langer Zeitvergrößerung die Einnahmenseite etwas erhöhen. Und wer schon auf Vermehrung von Gewerbesteuereinnahmen drängt, aber gleichzeitig Gewerbeflächen auf dem Prinzenparkgelände als Wohngebiet ausweist, verliert doch schon etwas an Glaubwürdigkeit.

Aufgrund dieser – aus meiner Sicht – städte-bzw. bauplanerischen Fehlentscheidungen für unsere Gemeinde, unumkehrbar mit negativen Folgen, kann ich dem diesjährigen Haushalt nicht zustimmen. Denn in den entsprechenden Haushaltsposten sind auch die finanziellen Mittel dafür eingestellt. Der Haushaltsplan bildet die grundlegende Finanzausstattung für unser städteplanerisches Handeln: und dieses Denken und Handeln kann ich nach langem Ringen mit mir nach bestem Wissen und Gewissen nicht mittragen!

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist doch jetzt keine Überraschung – das haben Sie doch von mir erwartet. Denn nicht von mir dann von wem? Ist es doch meine Ablehnung nichts weiter als das Setzen eines Gedankenstriches oder Ausrufezeichen – mit dem Angebot kurz innezuhalten – aber gleichzeitig verbunden mit der Hoffnung, dass wir endlich beginnen, mit neuem Selbstbewusstsein hinsichtlich Städteplanung und Investorenhandling eine neue Richtung einzuschlagen.

Besonders nach der Klausurtagung, bei der wir auch grundlegende Änderungen zur Finanzausstattung unserer Gemeinde angesprochen haben, nach der Vorstellung des Gesamtverkehrskonzeptes, nach der Zustimmung zum genossenschaftlichen Wohnungsbau – das hätte ich gerne öfter – bin ich hoffnungsfroh und positiv gestimmt und danke Ihnen, werter Herr Bürgermeister, werte Kolleginnen und Kollegen, für die immer wieder sehr interessanten und offenen Diskussionen.

Ein Dankeschön an die Verwaltung, allen Mitarbeitern der Gemeinde, an die Vertreter der Presse und unser ausdrücklicher Dank an unseren Kämmerer Hr. Giesinger, der über alle Maßen engagiert war, den diesjährigen Haushalt noch schuldenfrei zu gestalten.

Und all denjenigen, die durch ihr ehrenamtliches Engagement in Vereinen, Verbänden und Helferkreisen unser Karlsfeld im „Innersten zusammenhalten“ und unserer Gemeinde seinen liebenswerten Charme verleihen, ein aufrichtiges „Vergelts Gott“.